Anfang August bekam ich ein Paket – und was für eins: Ich darf das neue X1 Carbon testen! Ich bekomme es allerdings bei einem positiven Bescheid nicht geschenkt und bekam auch sonst keine Anweisungen dazu, wie mein Review auszusehen hat – ich bemühe mich also im Folgenden, euch einen fairen und ehrlichen Eindruck vom kleinen Schwarzen zu geben. Geliefert hat es mir ok1.de und ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich für die Möglichkeit, das Gerät zu testen.
Keine Experimente
Leicht, elegant, super stabil, mit langer Akkulaufzeit und allerbester Qualität sowieso – dann denk‘ ich an das X1 Carbon, Lenovos Flagschiff für die CEO-Etage und alle, die es sich wert sind, sozusagen. Das X1 Carbon ist – in meinen Augen – der Goldstandard der modernen Thinkpads. Es bietet ein kaum zu schlagendes Paket aus minimalem Gewicht (ca. 1,1kg), angenehmer Arbeitsoberfläche (14″ WUXGA mit ordentlicher Tastatur), ordentlicher Leistungsfähigkeit (wenn wir auf dezidierte Grafikkarten verzichten können) und Akkulaufzeit (bei ~55Wh hat man sich seit einigen Generationen eingependelt, was für ca. 8-10 Stunden reicht). Wie schon im Review zum 2021er Modell angerissen, hat sich das X1 Carbon seit der 2015er Generation nur graduell verändert – und das kommt dem Gerät durchaus zugute: Auch die 2022er Ausgabe hält sich mit Experimenten zurück und beschränkt sich auf die jährliche Modellpflege in Form der neuesten Hardwareplattform.
Verpackung und Anschlüsse
Beim Auspacken ist mir auf den ersten Blick die ganz andere Verpackung aufgefallen, als ich sie sonst gewohnt war. Lenovo verpackt das X1C 2022 in einem einfachen textilen „Tütchen“, das in eine Papp-Trägerkonstruktion und damit in den Karton gesteckt wird. Plastik: Fehlanzeige. Schön, dass Lenovo mittlerweile auch um ökologische Verpackungen bemüht ist. Wir reden hier zwar über ein paar Gramm Folie, aber jeder Schritt ist ein Fortschritt.
Ansonsten zeigt sich das X1 Carbon 2022 gewohnt gut ausgestattet. Auf der linken Seite begegnet man zwei Thunderbolt/USB-C-Ports, einem USB-A-Port und einem HDMI-Port. Das ist eine sinnvolle Sache, denn so können Maus-Dongle, Projektoranschluss und Strom alle auf der linken Seite landen und die Maus hat rechts vom Laptop freies Spiel. Auf der rechten Seite gibt es einen weiteren USB-A-Port und einen Kopfhörer-Mikrofon-Kombo-Anschluss: Das ist insgesamt eine solide Anschlussauswahl, mit der man eigentlich überall ohne Adapter durchs Leben kommt (es sei denn, man fotografiert noch altmodisch auf SD-Karten).
Gehäuse und Display
Auf den ersten Blick ist das neue X1C ansonsten fast nicht zu unterscheiden von seinen Vorgängern. Lediglich die symmetrische, kantige Ausbuchtung für das Kameramodul, die an älteren Geräten nicht da war, ist ein wahrnehmbarer Unterschied. Das wirkt auf den ersten Blick wie ein albernes Designelement, aber es hat einen ganz praktischen Nutzen: Das X1 hat an dieser Ausbuchtung nun eine leicht hervorragende Kante, die es viel einfacher macht, das Gerät ohne Fingernagel-Einsatz und genaues Hingucken aufzuklappen. Innerhalb von zwei Stunden fühlte sich das Öffnen meines X1 Extreme und des X1 Carbon 2018 irgendwie falsch und unvollständig an – diese Ausbuchtung ist eine richtig coole, kleine, feine Ergonomie-Verbesserung.
Jeden Tag sitz‘ ich vor meinem Laptop und ich starre auf das Display – da ist es eigentlich das wichtigste Bauteil im ganzen Gerät. Die X1-Serie bekommt seit Jahren die besten Displays, die in allen gängigen Office-Thinkpads verbaut werden; wo die E- und L-Serie gerne mal das dunklere, farbschwache Display „aus dem Schlussverkauf“ bekommen, erhalten T- und X-Serie tendenziell immer sehr gute Bildschirme. Daran hat sich auch 2022 nichts geändert. Das Display ist hell, farbstabil und im Wesentlichen völlig unspektakulär. Wie im vergangenen Jahr bringt die WUXGA-Auflösung im 16:10-Format schön schlanke Displayränder. Trotzdem verzieht sich an der Bildschirmeinheit nichts, wenn man sie „einseitig“ bedient (auch wenn ich davon abraten würde); das gesamte Gehäuse wirkt steif, stabil und druckfest. Bei absichtlichem „Wobbeln“ an beiden oberen Ecken kann man das Display natürlich trotzdem verwinden, aber so ein Experiment fällt dann schon unter „vorsätzlichen Vandalismus“.
Tastatur und co.
Thinkpads und ihre glorreichen Tastaturen – diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen. Auch das X1 Carbon 2022 bietet ein sehr vertrautes, angenehmes Tippgefühl, auf dem man sich mit etwas Gewöhnung an die Thinkpads der letzten Generationen in Augenblicken zuhause fühlt. Die Tasten „wobbeln“ nicht, sind sauber gearbeitet, haben einen klaren Anschlagpunkt und fühlen sich ganz klassisch nach Thinkpad an. Es gibt kein besseres Tippgefühl.
Das Touchpad reagiert zügig bis in die äußersten Winkel und fühlt sich wertig an. Ich arbeite damit allerdings im Alltag kaum und konnte mich auch im Test kaum umgewöhnen, meine Finger suchen immer den Trackpoint und der funktioniert wie eh und je. Ich konnte während meiner Tests kein „Ghosting“ des Trackpoints (damit meine ich dieses ungewollte Gegenwandern des Cursors, wenn man den Trackpoint nach längerem Drücken in eine Richtung loslässt, wie ich das bei vielen älteren Geräten erlebt habe) provozieren bzw. erleben.
Die zwiegespaltene Generation: X1C mit P- oder U-CPU?
Diese neue Hardwareplattform stellt die Kundschaft erstmals vor eine echte Entscheidung, die weiter ausgreift als das alte i3-i5-i7-Spiel: Es gibt in der 2022er Generation „P(erformance?)-CPUs“ und „U(ltrabook?)-CPUs“. Während Geräte mit U-Prozessoren noch „über vier Wochen“ Lieferzeit auf den einschlägigen Händlerseiten haben, ist ein erstes Modell mit P-Prozessor schon länger verfügbar – darauf bezieht sich der folgende Test:
ThinkPad X1 Carbon G10 21CCS00800
Intel Core i7-1260P 12 Core CPU mit Iris Xe Graphics
ok1.de, EDU-Modell, derzeit 1899€
32 GB LPDDR5 5200 Mhz (fest verlötet)
1 TB PCIe 4.0 x4 NVMe M.2 SSD
14″ WUXGA IPS (1920 x 1200) 400 nits, 100% sRGB, Eyesafe, Low Power
Intel Wi-Fi 6E AX211 ax & Bluetooth 5.2
IR Webcam 1080p mit ThinkShutter für Windows Hello
FingerPrint Reader
57Wh Li-io Akku, bis zu 14 Std. Laufzeit
315.6 x 222.5 x 15.36 mm, 1.12 kg
3 Jahre Vor- Ort Premier Herstellergarantie
Die echte Neuerung in den 2022er Laptops ist Intels neue Prozessorenreihe („Alder Lake“), die nicht mehr nur eine Anzahl „gleichwertiger“ Kerne mitbringt, sondern die CPU in (wenige) Leistungskerne und (mehr) Effizienzkerne unterteilt. Leistungskerne sind der Ferrari (schnell, laut, verbrauchen massenhaft Sprit), Effizienzkerne sind der E-Up (gemütlich, lautlos, fahren quasi vom Sonnenlicht). Nun kann man sich überlegen, wie viele Kerne von welcher Sorte man in welche CPU einbaut, und Intel hat sich hier für den Weg der maximalen Verwirrung entschieden, indem man daraus zwei unterschiedliche Laptop-CPU-Sub-Generationen („Alder Lake-P“ und „Alder Lake-U“) gemacht hat und diese, um noch mehr und außerdem redundante Unsicherheit zu stiften, zusätzlich mit griechischen Zahlwörtern („Dodeka-Core“ (=12=4+8), „Deka-Core“ (=2+8)) versehen hat. Wem jetzt noch alles klar ist, der möge sich noch in Erinnerung rufen, dass Leistungskerne Hyperthreading beherrschen, Effizienzkerne aber nicht, sodass ein Dodeka-Core sozusagen ein Hexadeka-Thread bzw. ein Deka-Core ein Dodeka-Thread (nicht zu verwechseln mit Dodeka-Core) ist. Dafür scheint „i5“ und „i7“ so gut wie bedeutungslos geworden zu sein: Es gibt nahezu gleich ausgestattete CPUs beider Linien, die sich nur noch in der Nachkommastelle der Gigahertz der diversen Kerntypen unterscheiden. Noch Fragen?
Vergleichspunkte | Core i5-1235U | Core i7-1255U | Core i7-1260P |
---|---|---|---|
P-Kerne | 2 | 2 | 4 |
E-Kerne | 8 | 8 | 8 |
Threads | 12 | 12 | 16 |
Maximaltakt P-Kerne | 4,4Ghz | 4,7Ghz | 4,7Ghz |
Maximaltakt E-Kerne | 3,3Ghz | 3,5Ghz | 3,4Ghz |
Iris Xe-Grafikeinheit | 1,2Ghz, 80 Units | 1,25Ghz, 96 Units | 1,4Ghz, 96 Units |
Fazit | gut | fast baugleich | throttelt sowieso |
Im Marketing-Sprech stehen nun die „P-CPUs“ für performantere Prozessoren mit in der Regel vier Leistungskernen und acht Effizienzkernen; die „U-CPUs“ haben in der Regel nur zwei Leistungskerne und ebenfalls acht Effizienzkerne. Es lässt sich allerdings nicht pauschal beantworten, was das für die Leistungsfähigkeit des nackten Chips aussagt, denn je nach Einsatzfeld können Effizienzkerne genauso gute, aber auch viel weniger gute Leistung erbringen wie ein Leistungskern.
Testen konnte ich leider bisher nur ein Gerät mit P-Prozessor.
Was bringen die neuen CPUs?
Als ich zum ersten Mal von den Alder-Lake-Laptop-CPUs hörte, kam mir das irre vor: Zwölf Kerne in einem Laptop? Wie soll denn das gehen, wer soll das mit Strom versorgen, wer soll das kühlen? Selbst mein Desktop hat „nur“ zwölf, und der braucht einen riesigen Kühler-Trümmer, um das zu überleben.
Schon auf den ersten Blick in HWMonitor erschließt sich der „Kern“ der Sache: Leistungskerne takten höher (im Maximum knapp 4700Mhz), Effizienzkerne takten deutlich niedriger (im Maximum knapp 3400Mhz). Legen wir ein bisschen Last an – z.B. eine Installation diverser großer Apps via Ninite – erkennt man, dass alle Kerne „mitarbeiten“, die Leistung fluktuiert ohne erkennbare klare Zuständigkeit zwischen den beiden Prozessoren-Paketen. Wenn beim Installieren größerer Programmpakete Leistung gefordert ist, rast die Package-Temperatur (wir reden hier von Sekunden, nicht Minuten) in Richtung 100°C und führt den Prozessor in ein scharfes Throttling, bei dem die Leistungskerne dann auf z.T. deutlich unter 4000Mhz und die Effizienzkerne auf ca. 3000Mhz gebremst werden. Leider kann OpenHardwareMonitor noch nicht mit Alder Lake umgehen, sodass ich mit HWMonitor arbeiten musste und keine so schönen Graphen anbieten kann:
Verabreicht man dem Prozessor eine „volle Dosis“ in Form von Cinebench R23 Multicore, dauert es kaum eine Sekunde, dass der Prozessor sich zum Schutz vor einer spontanen Kernschmelze rapide abbremsen muss. Es bleiben gerade 2200Mhz auf den Leistungskernen und 1800Mhz auf den Effizienzkernen:
Das sieht auf den ersten Blick wüst aus, aber Cinebench ist auch eine richtig blöde Lastsituation, weil so eine Situation im Alltag fast nie auftritt. Um ein realistisches Maximallast-Szenario zu testen, habe ich „LAYLA UNZENSIERT im ZDF FERNSEHGARTEN“ (weil: Startseite bei Youtube) heruntergeladen und in Handbrake mit einigen Schikanen transkodiert. Handbrake lastet schlagartig alle Kerne zu ca. 90% aus und wir sehen das gleiche Spektakel wie bei Cinebench: eine 98°C warme CPU, die scharf auf 1,5Ghz und tiefer throttelt, womit etwa zwei Drittel ihrer nominellen Leistung absäuft.
Beim X1C 2022 sind rapide Temperatursprünge sogar im Office-Betrieb keine Seltenheit. Zwar pendelt sie im Idle gerne zwischen 50 und 60 Grad, springt dann aber bei ganz kleinen Lasten (z.B. eine kleine Installation von Handbrake) augenblicklich auf 90 Grad, oder anders gesagt: Steigt die CPU-Last mal auf ca. 25% – was ungefähr 20W Package-Power entspricht -, springt die Package-Temperatur in Kürze auf 85°C und mehr. Insgesamt bekommt man sehr schnell den Eindruck, dass die Kühllösung des X1C 2022 mit dem Intel 1260P einen gnadenlos überdimensionierten Prozessor abbekommen hat, dem sie nicht ansatzweise gewachsen ist. Im Gegensatz zur Vorjahresgeneration hat Lenovo aber zumindest in diesem Jahr gleich ein „vernünftiges“ Throttling-Verhalten programmiert, mit dem die CPU bemüht ist, ein „gleichmäßiges“ Abbremsen durchzuführen, wobei dieses „gleichmäßig“ auf verstörend hohem Niveau liegt, wenn der Takt unter hoher Last dauerhaft um zwei Drittel einbricht. Trotzdem erscheint es vollkommen unsinnig, in dieser Generation ein Gerät mit P-Prozessor zu designen, wenn die Kühlung damit dermaßen schnell überfordert ist: Die Mehrleistung gegenüber einem U-Prozessor dürfte angesichts dieses massiven Throttlings verschwindend sein.
Trotzdem ist das X1 Carbon 2022 keine Krücke: Zwölf Prozessoren auf halber Leistung rechnen große Tasks immer noch massiv schneller als vier Prozessoren bei voller Leistung. Das X1 Carbon 2018 meiner Frau mit i5-8250U wird vom 2022er Modell weit geschlagen (aus dem Stand braucht der 1260p kaum halb so viel Zeit für die Transkodierung des Layla-Videos), mein X1 Extreme mit i7-11800H läuft dem 1260P aber davon (und braucht gut halb so lange).
i5-8250U (X1C2018) | i7-11800H (X1E2020) | i7-1260p (X1C2022) | |
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Laylamark 1.0 | ca. 51 Minuten | ca. 14 Minuten | ca. 24 Minuten |
Cinebench R23 | ca. 2500 Punkte | ca. 11000 Punkte | ca. 6500 Punkte |
Throttling | bisschen | ja | oh je |
Für den klassischen Office-Benutzer, der sein Thinkpad zum Surfen, Schreiben, Coden und Mailen verwendet, ist das absolut kein KO-Kriterium, denn im Hausgebrauch funktioniert der Laptop absolut einwandfrei und zeigt eine sehr angenehme, butterweiche Arbeitsleistung. Setzt man ihn aber unter erheblichen Stress, exportiert z.B. aufwendig bearbeitete Bilder, rendert Filme oder quält die CPU durch andere komplexe Berechnungen, bleibt jede Menge der „theoretischen“ Leistung des i7-1260P im Treibsand der unterdimensionierten Kühlung stecken. Das nimmt man nur wahr, wenn man es weiß, ist aber dennoch ärgerlich.
3D-Leistung
Ich weiß, ich weiß, es ist ein Ultrabook, es ist ein Business-Laptop, es ist ein Thinkpad… trotzdem, wenn ich einen Laptop kaufe, will ich ihn auch auf die nächste Team-LAN mitnehmen können.
Als Benchmark für ein typisches Casual-Spiel habe ich CS:GO mit ein paar Bots in cs_office laufen lassen. Das X1 startet im Level mit ca. 80-90 FPS und fällt nach wenigen Minuten, in denen der Laptop ziemlich heiß gelaufen ist, auf ca. 45-55 FPS, wo es stabil bleibt. Allerdings gibt es erhebliche Dips z.B. beim Öffnen von Menüs. Es ist gerade so spielbar. Beim Zocken wirklich problematisch ist allerdings die Hitzeverteilung: Offenbar sitzt die CPU ziemlich genau unter der W-Taste, sodass bei Spielen im WASD-Block der linke Mittelfinger ziemlich gebacken wird.
Auch hier wird wieder sichtbar, dass die von Lenovo konfigurierte Performance aus thermischen Gründen fast 50% hinter dem, was die CPU maximal leisten könnte, zurückbleibt. Dabei bleibt der Lüfter auch in diesem Stress-Szenario einigermaßen ruhig – offenbar ist beim Ausbalancieren von Lüftergeschwindigkeit und CPU-Takt ein leises Betriebsgeräusch höher gewichtet worden als eine maximale Leistungsfähigkeit. Man wäre ja versucht, das X1 auseinanderzunehmen und einen NH-D15 o.ä. auf die CPU zu setzen – aber das würde den Rahmen dieses Tests sprengen und die Geduld des Leihgebers vermutlich zu sehr strapazieren…
Nach diesem Ergebnis habe ich darauf verzichtet, irgendwelche AAA-Titel unter die Lupe zu nehmen (und auch, weil meine Internetverbindung während des Tests nicht so der Brüller war und diese Titel hier ewig herunterladen). Für ein gemütliches Zocken typischer kompetitiver Titel reicht das X1C 2022, für mehr aber auch nicht.
getestet in cs_office mit Bots | Counter Strike Global Offensive |
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FPS (1920×1200) | anfangs ca. 90, pendelt sich nach sehr kurzer Zeit bei ca. 50 FPS ein |
gefühlte Spielbarkeit | geht so, starke Dips bei Menüs |
Akkulaufzeit und Geräuschkulisse
Hier wäre es jetzt wirklich super, ein Gerät mit U-Prozessor in der Hand zu halten, um einen direkten Vergleich vornehmen zu können.
Akkulaufzeiten zu vergleichen ist recht schwierig, da die Nutzerprofile sehr unterschiedlich sind. Wer primär an Text (ob nun Code oder Literatur) arbeitet, wird mit dem X1C 2022 seine helle Freude haben. In einem solchen Szenario, in dem kaum WLAN-Last anliegt, der Prozessor nichts zu tun hat und nur der Bildschirm gefordert ist, kann man ohne Probleme auf zehn Stunden und mehr kommen. Für Schreiber, Leser und Programmierer unterwegs: ein Träumchen.
Ein großer Brocken der Laufzeit hing in meinen Tests von der WLAN-Nutzung ab. Im Worst-Case handelt es sich dabei auch noch um Youtube-Videos o.ä., die außerdem den Prozessor bei der Wiedergabe belasten und so die Akkulaufzeit ganz erheblich reduzieren. Aber auch ein reiner Datei-Download im Hintergrund mit 1MB/s, den ich zur Simulation von „erhöhtem Traffic“ (Dropbox, Nextcloud, was halt so läuft) laufen ließ, führt direkt zu 5 Watt zusätzlichen Verbrauchs.
moderate Helligkeit, „ausbalanciert“, Youtube-Videos | minimale Helligkeit, „ausbalanciert“, WLAN-Download | moderate Helligkeit, „Energiesparen“, WLAN-Download | moderate Helligkeit, „Energiesparen“, kaum WLAN | |
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Stromverbrauch | 10-13 Watt | 9-10 Watt | 7-8 Watt | 3-4 Watt |
Akkulaufzeit ca. | 4-5 Stunden | 5-6 Stunden | 7-8 Stunden | 12-14 Stunden |
Anmerkungen | reicht locker für zwei Spielfilme | konnte gar nichts mehr sehen | nicht schlecht, typische Bedingungen | eigener Akku ist deutlich früher leer |
Das X1 Carbon 2022 ist super leise – der Lüfter läuft zwar regelmäßig an, aber bleibt dabei im Office-Betrieb wirklich sehr dezent. Und zwar wirklich immer – selbst unter hoher Last wird der Lüfter nicht penetrant. Das ist eine schöne Sache für die Bibliothek und das Büro, und auch für das Wohlbefinden des Benutzers – ich habe immer ein schlechtes Gefühl dabei, wenn der Laptop zu pfeifen beginnt, als schreie er nach Frischluft. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass Lenovo die Lüfterkurve ziemlich zurückhaltend gestaltet hat und sich vielleicht mit einer aggressiveren Lüftung auch mehr Performance aus dem Prozessor kitzeln ließe. Persönlich sähe ich allerdings in 5% mehr Leistung für mehr Lüfterlärm keinen guten Deal – ich schätze meine Geräte leise.
Ein paar Worte zUbuntu
Die Installation von Ubuntu läuft einwandfrei, wenn man sich an die Gepflogenheiten hält. Am besten geht es nach meiner Erfahrung, wenn man manuell folgende Partitionen konfiguriert:
- Windows-Partition über GParted verkleinern, alle Partitionen von Windows nach vorne schieben
- In der Installationsroutine „Etwas anderes“ machen und Ubuntu-Partitionen im freien Bereich anlegen:
- / (min. 20GB ext4)
- /home (min. 30GB oder je nachdem, was du so alles vorhast, ext4)
- /boot (ca. 1GB ext4)
- und ganz hinten eine „EFI-Systempartition“ (wählt man beim Dateisystem aus, ca. 1GB)
Dann läuft die Installation fehlerfrei durch und ein funktionierender GRUB begrüßt beim nächsten Start. Im Wesentlichen ist Linux danach voll funktionsfähig: Die Steuerung der Bildschirmhelligkeit, der Lautstärke und des Mikrofons funktionieren.
Ein erster Unterschied, der mir stark auffällt: Ubuntu unterscheidet bei der Systemlast vergleichsweise extrem scharf zwischen Leistungs- und Effizienzkernen. Während eines größeren Systemupgrades waren die Leistungskerne (abwechselnd) immer wieder hoch belastet (eigentlich immer ein Thread zu 100%), dagegen die Effizienzkerne so gut wie im Leerlauf (ca. 0-1%). Das sieht deutlich anders aus als die Situation in Windows, bei der die Effizienzkerne sehr viel mehr Aufgaben übernehmen und regelmäßig im zweistelligen Prozentbereich belastet sind; ob das an der größeren Zahl von „Nebenjobs“ von Windows liegt (ständig Redmont anrufen…), sei dahingestellt.
Der Stromverbrauch liegt in ganz ähnlichen Bereichen wie unter Windows. Allerdings erreicht Ubuntu nicht den ganz niedrigen Verbrauch im reinen Textverarbeitungsbetrieb, den Windows zeigt, muss sich mit ziemlich konsistenten 5 Watt aber nicht verstecken.
| moderate Helligkeit, „Balanced“, Youtube-Videos | minimale Helligkeit, „Balanced“, WLAN-Download | moderate Helligkeit, „Power Saver“, WLAN-Download | moderate Helligkeit, „Power Saver“, kaum WLAN |
---|---|---|---|---|
Stromverbrauch | 12-14 Watt | 8-9 Watt | 8-9 Watt | 5 Watt |
Akkulaufzeit ca. | 4-5 Stunden | 6-7 Stunden | 6-7 Stunden | 10-11 Stunden |
Anmerkungen | reicht knapp für zwei Spielfilme | konnte gar nichts mehr sehen | nicht schlecht, typische Bedingungen | eigener Akku ist immer noch zuerst leer |
Suspend to RAM funktioniert ohne Probleme beim Zuklappen oder manuellen Klick, Suspend to Disk habe ich nicht getestet (nutzt das noch irgendjemand?). Die 3D-Beschleunigung der Iris Xe-Grafik scheint problemlos zu funktionieren, glmark2 erreicht im Mittel um die 3000 FPS, was garnicht schlecht für integrierte Karten ist. glmark2 ist nun wirklich keine gescheite Benchmark-Suite, aber für eine grobe Einschätzung der Leistungsfähigkeit nicht verkehrt.
Stresst man die CPU mit stress (heißt so) auf allen 16 Threads, pendeln sich sämtliche Kerne binnen Sekunden bei ca. 1,2Ghz ein. Hier greift definitiv das Throttling bei Überhitzung. Aber auch wenn man „nur“ einen oder zwei Kerne stresst, taktet die CPU zügig auf ca. 2,8Ghz herunter. Die Leistungskerne scheinen auch unter Ubuntu einfach extrem schnell ins thermische Limit zu laufen.
Es ist zwar etwas teurer, dafür ist man unter sich
Das neue X1 Carbon ist insgesamt eine schöne Sache geworden. In den wesentlichen Aspekten setzt es die erfolgreichen Traditionen der Linie fort: eine Optik des eleganten Understatement, eine Verarbeitungsqualität im Luxussegment, ein solides Business-User-Paket.
Das X1 Carbon liegt in diesem Jahr etwa 5-10% über den Preisen des vergangenen Jahres. Das ist mit Blick auf die allgemeine Entwicklung keine Überraschung, aber es bedeutet, dass Geräte unterhalb der 2000€-Grenze rar werden. Man bekommt nicht ganz so leicht und schick gebaute, aber ziemlich ähnlich ausgestattete Geräte durchaus schon für die Hälfte, z.B. in Form des (mit etwas schlechteren Displays ausgestattete) L14 bei 1100€/1,4kg und des T14 bei 1400€/1,3kg. Insbesondere das T14 ist ein sehr eng verwandter Konkurrent des X1C geworden, wohingegen das T14s, das bisher die kaum vorhandene Lücke füllte, anscheinend still und leise beerdigt wird (es gibt bisher keine aktualisierten Modelle).
Und hier kommt nun das bittere „aber“: Empfehlen kann man das Gerät mit den aktuell ausschließlich verfügbaren Alder Lake-P-Prozessoren eigentlich schon, denn für den „normalen“ Microsoft-Office-Benutzer wird sich die unsinnige Kombination aus starkem Prozessor und schwacher Kühlung selten bewusst bemerkbar machen. Im X1 Carbon haben diese Prozessoren aber nichts verloren – dazu reicht die Kühlleistung einfach nicht aus; sie wirken hier wie ein Marketing-Gag oder eine Notlösung, weil noch keine U-Prozessoren verfügbar waren. Da aber auch die Akkulaufzeit keineswegs dramatisch darunter leidet, gibt es für Nicht-Power-User keinen richtig scharfen „Gegengrund“ gegen dieses Gerät. Wer sein Ultrabook aber gelegentlich auch mal richtig ran nimmt, um z.B. eine, äh, Sicherheitskopie seiner DVD anzulegen, der muss sich bei allen intensiven Tasks dieser Art in stoischer Gelassenheit üben, um nicht an die Performance zu denken, die gerade unter den Tisch fällt – und das lässt einen Preis ab 1900€ doch sehr schmerzhaft aussehen.